Am Vormittag des 31. März 1945 wurde ein weiterer geflüchteter ungarischer Jude im Gebiet der Berghäuser aufgegriffen.[1] Der Ungar wurde vermutlich bei dem Versuch erwischt, sich Kleidungsstücke und etwas zum Essen in den teilweise leerstehenden Häusern zu „organisieren“. Ein Zivilist und ein Volkssturmangehöriger brachten ihn zum Gendarmerieposten, in dem auch Kurt Engelhardt sein Büro hatte. Ohne sich weiter um die näheren Umstände zu kümmern beschloß Engelhardt, den Ungarn am nächsten Morgen um 4 Uhr in der Früh bei der Lehmgrube als Plünderer erschießen zu lassen. Zur Durchführung des Befehls bestimmte er seinen Stellvertreter Gustav Koch und Johann Schiller. Gustav Koch versuchte erst noch Engelhardt dazu zu bewegen, den Juden ebenfalls mit einem anderen Transport nach Hartberg zu schicken. Da Engelhardt aber inzwischen mit der Kreisleitung wegen der Erschießung eines jüdischen Plünderers in Kontakt getreten war, fühlte er sich nun außerstande seinen Befehl zu revidieren. Schiller gelang es aber unverhofft sich dem Befehl zu entziehen. Gegen Mitternacht wurde Schiller geweckt. Er sollte herauskommen und mit dem Gemeindetraktor ein festgefahrenes Fahrzeug der SS aus dem Straßengraben zwischen Markt Allhau und St. Johann in der Haide zu ziehen. Nachdem dies erledigt war kehrte Schiller zurück. Anschließend beschloß er einen vollbeladenen Anhänger, der schon in Markt Allhau für einen Transport bereitstand, für den Volkssturm nach St. Johann zu bringen. Vermutlich nutzte er auf diese Weise die Gunst der Stunde, um sich vor dem Erschießungskommando zu drücken. Erst gegen 6 Uhr in der Früh traf er wieder in Markt Allhau ein.
Nach Mitternacht suchte Gustav Koch den Volkssturmmann Michael Ringbauer auf, der den Schlüssel zum Feuerwehrgerätehaus in Verwahrung hatte. Da Schiller nicht greifbar war forderte Koch Ringbauer auf die Erschießung gemeinsam mit ihm durchzuführen. Sie holten gemeinsam den Juden aus seinem improvisierten Gefängnis und führten ihn bis zur Lehmgrube. Auf dem Weg zur Grube versuchte Koch die Erschießung des Gefangenen an Ringbauer zu delegieren. Ringbauer erwiderte jedoch, er könne in der Dunkelheit nicht gut sehen, Koch solle den Juden selber töten. An der Lehmgrube schoß Gustav Koch den ungarischen Juden von hinten nieder. Als dieser auf dem Boden lag, schoß er ihm noch ein zweites Mal in den Kopf. Anschließend entfernten sich die Volkssturmmänner vom Tatort.
Nach seiner Rückkehr um 6 Uhr in der Früh meldete sich Schiller auf der Dienststelle des Volkssturms zurück und erhielt von Koch den Befehl, mit zwei Helfern den Toten bei der Lehmgrube einzugraben.
Bald nach Kriegsende befaßten sich die Gerichte mit den Vorkommnissen von Markt Allhau. Das Volksgericht verurteilte Engelhardt zu 12 Jahren schweren Kerkers, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich und einmal jährlich Dunkelzelle am 31. März. Außerdem wurde auf Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und Strafvollzugs sowie Verfall seines gesamten Vermögens entschieden.[2] In seiner Urteilsverkündung betonte es die besondere Verantwortung, die Koch in diesem Fall trug. Er hatte auf eigenen Verantwortung den Ungarn zum Tode verurteilt und anschließend zwei Volkssturmmänner mit der Erschießung beauftragt.
Das Gericht verurteilte Gustav Koch aufgrund seiner illegalen NS-Mitgliedschaft seit Juli 1933 zu 18 Monaten Kerker, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich und den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und Strafvollzugs sowie Verfall seines gesamten Vermögens. Die Strafe galt bei Urteilsverkündung unter Anrechnung der Untersuchungshaft bereits als verbüßt.[3]
In Hinblick auf die Tötung des Ungarn wurden Gustav Koch und Michael Ringbaue wurden jedoch freigesprochen. Im Gegensatz zu vielen anderen Volksgerichtsprozessen (siehe z.B. Inzenhof) wurde ihnen als ausführende Täter tatsächlich Befehlsnotstand zuerkannt, da sie sich nach Ansicht des Gerichts in einem „schuldausschliessenden entschuldbaren Tatsachenirrtum“ befanden![4]
[1] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 1a Vr 6402/46 gegen Engelhardt u.a., S. 424ff.
[2] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 1a Vr 6402/46 gegen Engelhardt u.a., S. 410.
[3] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 1a Vr 6402/46 gegen Engelhardt u.a., S. 411.
[4] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 1a Vr 6402/46 gegen Engelhardt u.a., S. 419ff.