Mit ca. 1000-1200 Zwangsarbeitern war das Ostwallager von Siegendorf ein Lager mittlerer Größe.[1] Von November 1944 bis zum 28. März 1945 waren die zu einem Teil aus Budapest stammenden Juden in einer der vier Ebenen des Magazingebäudes der Siegendorfer Zuckerfabrik untergebracht.[2] Die ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter waren hauptsächlich damit beschäftigt, einen 4 m tiefen Panzergraben zu fertigen. Die Aufsicht erfolgte durch Angehörige der OT (Organisation Todt) und einen SS-Mann. Obwohl die meisten Ungarn die schwere manuelle Arbeit nicht gewohnt waren, kam es von November bis Anfang Februar im Lager trotz schwerster körperlicher Arbeit und unzureichender Ernährung zu keinen Todesfällen unter ihnen.
Als Anfang Februar neue Arbeitsdienstkompanien ins Lager gebracht wurden, schleppten einzelne Häftlinge Flecktyphus ein. Die prekären sanitären Lebensverhältnisse begünstigten die Verbreitung von Läusen, die Überträger dieser Krankheit sind. Das erste Opfer, das ins Totenbuch der Gemeinde Siegendorf eingetragen wurde, war Ferenc Hegyei. Er verstarb am 10. Februar 1945. Gleichzeitig war Hegyei mit 59 Jahren das älteste bekannte Opfer des Siegendorfer Lagers. Als Todesursache gab der Standesbeamte „Herzschwäche“ an. Bis Ende Februar verstarben sechs weitere Zwangsarbeiter.[3] Ab der zweiten Märzhälfte stiegen die Todeszahlen sprunghaft an. Bis zu sechs Menschen starben nun täglich. Die Aufzeichnungen des Gemeindeamtes enden am 26. März 1945. Arnold Neuhaus, ein Beamter aus Sabadka (serb. Subotica), war der letzte registrierte Tote des Lagers. Er starb am 20. März 1945.
Den Erinnerungen von János Hajnal zufolge, einem Überlebenden des Lagers Siegendorf, waren die Todeszahlen in Siegendorf aber weit höher. Hajnal schätzt, dass 400 seiner Kameraden das Lager Siegendorf nicht überlebten.
Von den etwa 1000-1200 jüdischen Zwangsarbeitern des Lagers Siegendorf marschierten ca. 400 in Richtung Mauthausen. Weitere 130 überlebten die Befreiung und kehrten nach kurzer Regenerierung in Siegendorf wieder in ihre Heimat zurück. Von den hier im Lager verstorbenen 470-670 Toten wurde 67 exhumiert und am jüdischen Friedhof von Eisenstadt wiederbestattet. 68 Personen wurden am Ortsfriedhof beerdigt. Demnach müssten aber noch 465 bis 665 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter auf dem Gemeindegebiet von Siegendorf verscharrt liegen. Vermutlich werden sie nie gefunden werden. Ihre Geschichte zu erzählen ist die einzige Ehre, die wir ihnen heute zukommen lassen können.
Massengräber am "Skradnji Brig"
Die Toten im Wald von Siegendorf
Exhumierung der Opfer von Siegendorf
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[1] Zur Geschichte des Lagers vergl: Michael Achenbach, Dieter Szorger: Der Einsatz ungarischer Juden am Südostwall im Abschnitt Niederdonau 1944/45, Diplomarbeit, Universität Wien – Institut für Zeitgeschichte, 1996, S 98 - 106
[2] Das Standesamt von Siegendorf verweist auf 43 Opfer des Lagers, die namentlich und mit Angabe des Wohn- und Geburtsortes versehen sind. Eine Auswertung dieser Daten ergab, dass knapp 40 % der Verstorbenen aus dem Großraum Budapest stammte.
[3] Die Mitteilung der Todesfälle erfolgte, wie aus den Standesamtsunterlagen hervorgeht, durch Anzeige eines Baustreifenführers namens Haas direkt beim Gemeindeamt. Der Standesbeamte kannte Haas, der aus Siegendorf stammte