Schattendorf liegt direkt an der österreichisch-ungarischen Grenze ca. acht Kilometer westlich von Sopron. Die ersten 300 von insgesamt 1100 bis 1200 ungarischen Arbeitsdienstlern gelangten im Dezember 1944 in die Ortschaft.[1] Aufgrund der großen Zahl an Zwangsarbeitern wurden die Ungarn in mehreren Quartieren in Schattendorf untergebracht. Ein Teil von ihnen war in den Gasthäusern Tscharmann (Hauptstrasse 154), Bierbaum (Fabriksgasse 35), Grafl (Mattersburgerstrasse 2), und in der Volksschule untergebracht. Andere waren in einem Gutshof außerhalb des Ortsgebietes einquartiert. Möglicherweise existierten weitere Unterkünfte.
Kommandant des Judenlagers in Schattendorf war Oberamtmann Nader aus Melk an der Donau. Die Bewachung der Zwangsarbeiter erfolgte durch SA-Männer aus der Znaimer Gegend. Bei den Grabungsarbeiten beaufsichtigten Parteiangehörige und notdienstverpflichtete Bauern aus Niederdonau die jüdischen Zwangsarbeiter. Den Bau der Verteidigungsstellungen überwachte die OT.[2] Organisatorisch gehörte Schattendorf zum Abschnitt Mitte des Südostwalles in Niederdonau. Aufgabe der ungarischen Juden war es nicht nur, Panzergräben zu errichten. Ein Teil der Zwangsarbeiter baute auch Zufahrtsstraßen zu den Baustellen. Auch das Be- und Entladen von Waggons am nahegelegenen Bahnhof gehörte zu ihren Tätigkeiten.[3] Gearbeitet wurde bei jedem Wetter.
Die meisten Berichte von Überlebenden sprechen von tolerierbaren Zuständen in Schattendorf. Auch der ungarische Historiker Szabolcs Szita ist der Meinung, daß die Zustände im Lager Schattendorf, verglichen mit den Grausamkeiten die sich in den Lagern im benachbarten Soproner Abschnitt ereigneten, eher gemäßigt waren.[4] Daneben gibt es aber auch einige Zeitzeugen, die Gegenteiliges schildern. Ob die Erzählungen eher positiv oder negativ gehalten sind, scheint von der jeweiligen Unterkunft abzuhängen. So fanden die im Ort untergebrachten Ungarn offenbar relativ gute Bedingungen vor. Die Schule konnte beispielsweise geheizt werden, und die Bevölkerung versorgte die Zwangsarbeiter mit zusätzlichen Lebensmitteln. Völlig gegensätzlich dazu gestaltete sich die Unterbringung im Gutshof außerhalb des Ortes. Hier war es kalt, Wasser zum Waschen stand kaum zur Verfügung, und in den Räumlichkeiten gab es Ungeziefer. Bald brach Flecktyphus unter den Arbeitern aus und forderte zahlreiche Opfer. Willkürliche Tötungen an den Juden scheint es aber in Schattendorf nicht gegeben zu haben. Gründe für die vielen Todesfälle waren Überanstrengung durch die viel zu harte Arbeit, Unterernährung, Erfrierungen, Entkräftung und Seuchen.
Am 28. März wurden die Schattendorfer Lager geräumt. Vermutlich gab es aber unterschiedliche Zeitpunkte für den Abmarsch aus den verschiedenen Lagern im Gemeindegebiet. Anders lassen sich die doch sehr unterschiedlichen Aussagen Überlebender nicht erklären. Eine erste Gruppe marschierte in das etwa zwei Kilometer entfernte Baumgarten, und geriet dort in einen alliierten Tieffliegerangriff. 70 Juden fanden dabei den Tod und 100 weitere wurden verletzt.[5] Andere Überlebende marschierten direkt nach Gramatneusiedl, und wurden von dort in Züge Richtung Mauthausen verladen. Etwa 70 Personen, die zu geschwächt waren um den Marsch nach Westen mitmachen zu können, durften im Lager bleiben. Als sie jedoch kurz vor Einmarsch der Russen eine SS-Einheit im Ort sichteten, flüchteten sie in Richtung auf die anrückende Rote Armee, und erlebten so ihre Befreiung.[6]
Die Verstorbenen von Schattendorf wurden in Massengräbern, aber zum Teil auch in mehreren Einzelgräbern beigesetzt. Zwei jüdische Ungarn begrub man im Gelände des sogenannten Tauscherbaches. 1947 exhumierte sie die Israelitische Kultusgemeinde Sopron und überführte sie auf den jüdischen Friedhof von Sopron.[7] 1956 fand man die Leichen von drei ungarischen Juden im Hofe des Hauses Hauptstrasse 88. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien exhumierte die Toten, und bestattete sie erneut auf dem jüdischen Friedhof von Mattersburg.[8] Aus einem Dokument der Gemeindeabteilung der Burgenländischen Landesregierung geht hervor, daß die Begräbnisstätte von 15 verstorbenen Zwangsarbeitern, die vermutlich in den letzten Kriegstagen an Flecktyphus starben, nicht mehr genau zu bestimmen ist. Dabei handelt es sich um 15 Einzelgräber. In den Jahren 1995 bis 1998 gelang es dem Verein Schalom insgesamt 34 Tote im Grenzgebiet zu Ungarn ausfindig zu machen. Die Grabstelle wurde gesichert, als jüdischer Friedhof gewidmet und mit drei Grabsteinen versehen.
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[1] Szabolcs Szita, The forced labour of hungarian Jews at the fortifications of the western border regions of Hungary in 1944 – 1945, Manuskript 1989, S. 15
[2] Lg Wien 31 Vr 471/56, Aussage des Adalbert Riedl vom 29. April 1949, S. 175f
[3] Michael Achenbach, Dieter Szorger, Der Einsatz ungarischer Juden am Südostwall im Abschnitt Niederdonau 1944/47, Dipl.Arb. Wien 1996, S. 107
[4] Szabolcs Szita, The forced labour of hungarian Jews at the fortifications of the western border regions of Hungary in 1944 – 1945, Manuskript 1989, S. 14f
[5] Chronik des Gendarmerieposten Wulkaprodersdorf, DÖW 11.291
[6] Eleonore Lappin-Eppel, Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45, Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen. S. 274f
[7] Burgenländische Landesregierung: Zahl LAD/I - 974/2 – 1954. Von einem ungarischen Zwangsarbeiter ist der Name bekannt. Dr. Andor Szente war einer der „getauften Juden“.
[8] Peter Schubert, Schauplatz Österreich, Topographisches Lexikon zur Zeitgeschichte in 3 Bänden, Wien 1980 S. 162. Eleonore Lappin-Eppel, Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45, Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen, S. 275