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Reinersdorf

Ende Januar oder Anfang Februar 1945 erreichten 800 – 1000 ungarische Juden Strem. Etwa 500 bis 600 blieben in Strem, die restlichen Ungarn verteilte man auf andere Baustellen. 87 von ihnen kamen nach Reinersdorf. Bruno Strebinger, Unterabschnittsleiter des Bauabschnittes von Reinersdorf, ließ die Ungarn in zwei verfallenen Bauernhöfen unterbringen. Die Bewachung erfolgte durch SA und politische Leiter. Da die ungarischen Zwangsarbeiter stark verlaust waren, ließ Strebinger mit einer mobilen Entlausungsstation die Kleidung der Ungarn entlausen.[1]
Am 25. März 1945 trafen aus Köszeg evakuierte ungarische Zwangsarbeiter im Lager Reinersdorf ein, so dass nun etwa 400 Ungarn in den beiden Bauernhöfen logierten. Strebinger ließ zur Abschreckung im Lager verlautbaren, dass Flucht, Diebstahl und Betteln mit dem Tode bestraft werde. Zwei Tage später setzte er seine Drohung in die Wirklichkeit um. Ein junger Ungar wurde mit einigen gestohlenen Zwiebeln erwischt und auf dem Kirchplatz vor den vollständig versammelten ungarischen Zwangsarbeitern erschossen.
Am 28. März übermittelte die Kreisleitung Feldkirchen der Befehl zur Evakuierung des Lagers Reinersdorf. Der Befehl sah ebenfalls vor, dass alle Marschunfähigen getötet werden sollten. Diese Weisung gab Unterabschnittsleiter Strebinger während einer Besprechung am Vormittag des 29. März an die Wachmannschaften des Lagers weiter. Mit der Hilfe einiger anwesenden jüdischen Ärzte ließ Strebinger daraufhin die Marschunfähigen aussondern. Die Ungarn ahnten jedoch was ihnen bevorstand, und mischten sich wieder unter die Abmarschbereiten. Strebinger ließ sie gewähren, rechnete er doch mit der Ermordung der geschwächten Ungarn spätestens während des Evakuierungsmarsches. Tatsächlich brach unmittelbar nach Abmarsch der Ungarn der Erste von ihnen noch im Ort vor Schwäche zusammen. Nachdem er sich auch durch Tritte nicht zum weitergehen bringen ließ, erschoss Strebinger ihn und ließ ihn in eine Jauchegrube werfen. Ein zweiter Jude versuchte sich in einem Privathaus zu verstecken, wurde jedoch entdeckt und auf Veranlassung von Strebinger von dem Hundertschaftsführer Isidor Fellner mit einem Hammer erschlagen.
Nach dem Krieg wurden die Morde von Reinersdorf vor einem Volksgericht in Graz verhandelt. Es verurteilte im Herbst 1948 Bruno Strebinger aufgrund der beiden Morde und dem Befehl an Fellner für einen dritten Mord zum Tod durch den Strang. Kurz darauf, im Jänner 1949, begnadigte der Bundespräsident Strebinger zu lebenslänglichem Kerker.Reinersdorf Begnadigung Strebinger klein Dem ging eine kontroverse Disskussion innerhalb der Richterschaft voraus, die einen erhellenden Blick auf den damaligen Zustand der Justiz gibt. Das Unrechtsregime war nicht spurlos an der Justiz vorbeigegangen. Zwar wurden viele offensichtliche ehemalige Nationalsozialisten aus ihren Funktionen entfernt, der Personalmangel damit aber verschärft. Weiterhin gab es noch viele ehemalige Nationalsozialisten bzw. NS-Sympathisanten und solche Personen, die sich mit dem NS-Regime arrangiert hatten, in der österreichschen Nachkriegsjustiz. Daher verwundert es nicht, dass zwar einige Richter die Begnadigung von Strebinger streng verurteilten, die meisten Richter aber die angeordneten Erschießungen als „für die damaligen Umstände“ angemessen betrachteten. Sie sahen darin eine wirkungsvolle Abschreckung, um weitere solcher Diebstähle verhindern zu können. Auch der Umstand, dass Strebinger den Marschunfähigen nach ihrer Aussonderung stillschweigend gestattete sich wieder in die Marschgruppen einzureihen und sie nicht sofort erschießen ließ, wurde ihm in der Urteilsverkündung zugute gehalten.
Im März 1955 kam Bruno Strebinger aufgrund einer Amnestie frei. Isidor Fellner, der außerdem auch bei Heiligenbrunn an der Erschießung eines ungarischen Zwangsarbeiters während der Evakuierungsmärsche beteiligt war, wurde ursprünglich zu lebenslanger Haft verurteilt. Er kam im Dezember 1954 in den Genuß der Weihnachtsamnestie durch Bundespräsident Körner.
Der im Ort erschossene Ungar konnte 1985 gefunden, exhumiert und auf den jüdischen Friedhof Eisenstadt überführt werden.

 

[1] Zu den Angaben über Reinersdorf siehe: Eleonore Lappin-Eppel. Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45. Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen. Wien, Berlin 2010. S. 331 – 333.

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