Am 25. März 1945, als die Front nur mehr wenige Kilometer entfernt war, wurde in Markt Allhau der Volkssturm mobilisiert. Zu dieser Zeit war Markt Allhau Schauplatz des gigantischen Rückzuges der Deutschen Wehrmacht, ungarischer Streitkräfte, von Flüchtlingen, Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern, die alle Richtung Westen strömten. In dieser Zeit logierten in den Nächten vier- bis fünfmal soviele Flüchtlinge innerhalb der Gemeinde als sie an Einwohnern besaß. Die ersten Ortsansässigen schlossen sich den Flüchtlingstrecks an, es kam zur Plünderung leerstehender Häuser. Sogar ein Schnellgericht der Wehrmacht nistete sich mitten im Ort ein und vollstreckte in den letzen Tagen noch mindestens ein Todesurteil wegen Fahnenflucht. Immer wieder kam es zu Tieffliegerangriffen durch die sowjetische Luftwaffe.[1] Mitten in diesem Chaos befanden sich auch Transporte ungarisch-jüdischer Schanzarbeiter, die von den Baustellen der burgenländisch-ungarischen Grenze kommend nach Mauthausen geführt wurden. Trotz des Schießbefehls für die Begleitmannschaften versuchten immer wieder ungarische Juden aus den Reihen dieser Transporte zu flüchten. Viele bezahlten den Versuch mit ihrem Leben, manchen aber gelang die Flucht.
In diesen letzten Tagen vor dem Einmarsch der Roten Armee liefen viele Entscheidungen über Kurt Engelhardt, den Leiter des örtlichen Volkssturms. Ende März wurden zwei ungarische Juden aufgegriffen, denen ganz offensichtlich die Flucht geglückt war. Man führte sie Engelhardt vor, der beide im Feuerwehrgerätehaus in Markt Allhau einsperren ließ. Engelhardt hielt die zwei Juden für „Spione“, die für die Rote Armee die deutsche Front auskundschaften. Die jahrelange NS-Propaganda hatte bei ihm ihre Wirkung nicht verfehlt. Trotzdem ergriff er keine weiteren Maßnahmen, sondern schickte sie am nächsten Morgen gemeinsam mit einem gerade abgehenden Transport britischer Kriegsgefangener nach Hartberg. Die Engländer standen zuvor in der Landwirtschaft rund um Markt Allhau im Einsatz. Einer der britischen Kriegsgefangenen verweigerte bei dieser Gelegenheit mit dem Rest der Gruppe in den Westen evakuiert zu werden. Sein Bewacher schlug daraufhin auf ihn ein und der Engländer schlug zurück. Gendarmeriebeamte führten den Kriegsgefangenen vor Engelhardt, der ihn wegen Widersetzlichkeit noch am selben Tag erschießen lassen wollte. Erst der Hinweis des Volkssturm-Kompanieschreibers, dass die Royal Air Force den Ort wahrscheinlich dem Erdboden gleichmachen würde wenn sie von diesem Mord erfahren würde, veranlasste Engelhardt zum Einlenken. Er ließ den Engländer wieder frei, der daraufhin mit den übrigen Kriegsgefangenen und den beiden Ungarn in Richtung Hartberg abmarschierte.[2]
Die Erschiessung bei der Lehmgrube
[1] Burgenländisches Landesarchiv, Gemeindebericht Markt Allhau, 1956.
[2] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 1a Vr 6402/46 gegen Engelhardt u.a., S. 419ff.