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Kukmirn

ArolsenArchives Sig1364000 Liste im Bgld getteter ung Juden kleinAm 30. oder 31. März 1945 zog ein Evakuierungtransport mit ungarischen Juden durch das Gemeindegebiet von Kukmirn. Die Ungarn kamen aus Strem und wurden von Franz Reichl, dem Ortsgruppenleiter von Kukmirn, geführt. Reichl war gegen Ende des Krieges zum Südostwallbau dienstverpflichtet und war einer der Unterabschnittsführer in Strem. Die Ungarn übernachteten einmal außerhalb von Kukmirn und zogen am nächsten Tag weiter. Nächste Zwischenziele der Gruppe waren Deutsch-Kaltenbrunn, Bierbaum und Ilz.
Einer der Ungarn war zu erschöpft und blieb zurück. Er wurde Anfang April 1945 von mehreren Einwohnern auf den Stufen des Gemeindehauses sitzen gesehen. Offenbar hatte einige Personen Mitleid mit ihm und steckten ihm heimlich einige Nahrungsmittel zu. Josef Wagner aus Kukmirn erhielt von der Ortsgruppenleitung den Auftrag den Ungarn „aus der Gemeinde zu schaffen“, was allerdings an der allgemeinen Schwäche des Mannes scheiterte. Er bewältigte nicht einmal den Weg aus dem Dorf heraus. Wagner kontaktierte daher den Postenkommandanten Windisch um zu fragen was er tun solle. Offenbar sprach man auf dem Gendarmerieposten auch über die Möglichkeit, Wagner solle „den Juden nehmen, hinüber auf den Berg ins Gestrüpp führen und ihn erschiessen“. Wagner weigerte sich jedoch und Windisch wollte die Tat selbst auch nicht ausführen.[1] Was weiter mit diesem Ungarn passierte läßt sich nicht mehr rekonstruieren, obwohl es einen umfangreichen Prozeßakt über die Ereignisse Ende März bzw. Anfang April 1945 in Kukmirn gibt. Allerdings besteht der Verdacht, dass der Ungar doch noch irgendwo außerhalb des Ortes erschossen und verscharrt wurde.
Im genannten Prozeß ging es hauptsächlich um einen weiteren Mord an einem ungarischen Zwangsarbeiter, der vermutlich am 4. April stattfand. Auch er war zu geschwächt um den Marsch weiter mitmachen zu können und blieb in Neusiedl bei Güssing zurück. Dort sorgte er mitten in der Unruhe vor der sich nähernden Front für weiteres Unbehagen bei allen Beteiligten. Eine durchziehende Wehrmachtseinheit ergriff zwar den Ungarn, versuchte ihn aber sofort wieder los zu werden. Daher erteilte sie den beiden Volkssturmangehörigen Albert Brunner und Franz Mager aus Neusiedl den Auftrag ihn zum nächsten Gendarmerieposten in Kukmirn zu geleiten. Die beiden Volkssturmmänner wählten den direkten Fußweg über den Zellenberg um nach Kukmirn zu gelangen. Der Ungar kam nur sehr langsam voran, so daß Brunner voraus ging um den Gendarmerieposten zu informieren. Auch dort war man nicht erfreut über die Aussicht sich schon wieder um einen kranken Zwangsarbeiter kümmern zu müssen. Schließlich schickte der damalige stellvertretende Postenkommandant den nur aushilfsweise in Kukmirn tätigen Hilfsgendarmen Franz Peischl dem Ungarn entgegen. Außerhalb der Ortschaft beim Hof Illigasch übernahm Peischl den Ungarn von den beiden Volkssturmmännern, die sich sofort auf den Rückweg nach Neusiedl machten. Peischl verpflichtete den am Hof Illigasch wohnenden Franz Illigasch sich Werkzeug zu holen und ihm zu folgen. Den Ungarn lenkte Peischl mit der Versprechung auf ein Essen den Berg hinauf in den Wald hinein. Als der entkräftete Ungar sich niedersetzte erschoß ihn Peischl vor den Augen des Franz Illigasch von hinten mit seiner Dienstpistole. Anschließend trugen die beiden Männer den Leichnam noch etwa 10 bis 15 Meter vom Weg fort und in den Wald hinein. Illigasch erhielt nun von Peischl den Auftrag den Mann zu begraben und das Grab unkenntlich zu machen. Nachdem dies bewerkstelligt war drohte Peischl dem Illigasch noch unverhohlen: „Wenn du deiner Familie oder irgend jemandem etwas sagst, dann kostet es dein Leben, so wie es dem Manne hier ergangen ist“.[2]

 

Der Kukmirn-Prozess

 

[1] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 11 Vr 3434/46 gegen Franz Peischl, S. 23, 37f.
[2] Wiener Stadt- u. Landesarchiv, Lg Wien Vg 11 Vr 3434/46 gegen Franz Peischl, S. 21.