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Donnerskirchen

Zu Beginn der Schanzarbeiten waren in Donnerskirchen die Ortsbevölkerung, Notdienstverpflichtete aus Zwettl, Organisation Todt und Volkssturm aus Poysdorf und Mistelbach eingesetzt. Später schanzten auch Fremdarbeiter aus Polen und der Sowjetunion dort. Ab Anfang Dezember 1944 arbeiteten ebenfalls slowakische Kriegsgefangene am Wall, die aber schon Ende Dezember durch etwa 720[1] ungarische Juden ersetzt wurden. Esterhazykeller  Donnerskirchen 2015 klein

Die bereits erschöpft ankommenden Juden wurden aufgrund von Platzmangel in einem ehemaligen Weinkeller im Ort, dem Esterhazykeller, untergebracht. Der dazugehörige Meierhof wurde zur Erzeugung und Abfüllung des Esterhazy’schen Weines genutzt. In der Mitte des Innenhofes der Anlage befand sich der Abgang in den Keller. An allen vier Seiten war der Hof mit Wirtschaftsgebäuden abgeschlossen. Wahrscheinlich wurde der Esterhazykeller für die Unterbringung der Juden ausgewählt, da trotz seiner Lage mitten im Ortsgebiet aufgrund der Bauweise jegliche Einsichtnahme von außen unmöglich war.

Unterbringung, Belüftung und Lichtverhältnisse entsprachen nicht den geringsten Anforderungen. Um überhaupt 720 Personen dort hineinpferchen zu können, wurden nach einiger Zeit hölzerne Zwischendecken eingezogen.

Esterhazykeller Hofabgang 2015 kleinDa es keine sanitären Einrichtungen gab und die Menschen nachts eingesperrt wurden, war der Keller schon nach kurzer Zeit in einem unbeschreiblichen Zustand. Spätestens nach einer Woche brach im Lager Flecktyphus aus, da der Lagerleiter Nikolaus Schorn das Wasser sperren ließ.[2] Jeder Ungar bekam pro Tag nur eine Feldflasche voll Wasser. An Waschen war unter diesen Bedingungen nicht mehr zu denken, und die Seuche verbreitete sich aufgrund des Wassermangels sehr rasch. Es gibt Hinweise auf die Verwendung eines mobilen Entlausungsapparates in Donnerskirchen, um den Flecktyphus unter Kontrolle zu bekommen. Diejenigen, die aufgrund ihrer Erkrankung und der allgemeinen Erschöpfung nicht mehr in der Lage waren zu arbeiten, wurden zu einem verfallenen Meierhof zwischen Donnerskirchen und Purbach gebracht, der euphemistisch als „Lazarett“ bezeichnet wurde, in Wirklichkeit aber nur ein Ort des Todes war.

Als „Frühstück“ erhielten die Juden warmes Wasser, das als „schwarzer Kaffee ohne Zucker“ bezeichnet wurde. Dazu gab es 200g Brot und 20g Margarine. Mittags wurden gekochte Kartoffeln ausgegeben. Sogenannte „gute Arbeiter“ bekamen am Arbeitsplatz auch schon einmal in Wasser aufgekochte Nudeln. Abends erhielten sie wiederum gekochte Kartoffeln. Nach der Erkrankung des Lagerleiters und seiner Ablösung im Februar 1945 verbesserte sich die Ernährungslage und Behandlung der jüdischen Zwangsarbeiter schlagartig. Esterhazykeller Donnerskirchen 2015 innen klein

Oft verließen einige der erschöpften und kranken Juden zum Morgenappell nicht den Weinkeller. Dann erschienen der Lagerleiter und einige weitere Wachmänner, trieben die Zurückgebliebenen unter Drohungen aus dem Keller und prügelten sie zur Arbeit. Nicht selten starben dabei einige der Männer oder waren derart verletzt, daß sie in das „Lazarett“ gebracht werden mußten. Auch sonst schlug die Wachmannschaft häufig auf die Arbeiter ein.[3]  

Am 29. März 1945 löste man das Lager in Donnerskirchen auf, da die Rote Armee mittlerweile ganz in der Nähe stand. Nach den Schilderungen eines Überlebenden marschierten sie zuerst zu einer Sammelstation bei Loretto. Zwei Tage später marschierten sie weiter nach Gramatneusiedl und von dort transportierte man sie mit der Bahn nach Mauthausen.[4] 

 

Der erste Donnerskirchen-Prozeß

Der zweite Donnerskirchen-Prozeß

Der dritte Donnerskirchen-Prozeß

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[1] Geza Hartai, ein Überlebender des Schanzeinsatzes, nennt die Zahl von 706 ungarischen Juden, die in Donnerskirchen mit der Bahn eintrafen. Insgesamt bewegen sich die Zahlenangaben der Ungarn zwischen 700 und 750 Personen. In mehreren Aussagen wird darauf hingewiesen, daß 80 Personen in einen Waggon gepfercht wurden. Ein Zeuge berichtete von neun Waggons, die nach Donnerskirchen geleitet wurden. Im weiteren gehen wir von einer Zahl von etwa 720 Personen aus. Obwohl in den Ostwallagern üblicherweise keine Namenslisten existierten, wurde in Donnerskirchen eine „Standesliste“ geführt. Géza Hartai füllte im Lager die Funktion eines Dolmetschers und Verbindungsmannes zwischen den Arbeitsplätzen aus. Aus diesem Grunde konnte er sich relativ frei bewegen. Gegenüber dem Lagerleiter hatte er außerdem immer den genauen Stand der Arbeitenden anzugeben. Durch Manipulationen an der „Standesliste“ gelang es ihm immer wieder, Kranke im Keller zu verstecken und so vor der „Krankenstation“ zu retten. Auf diese Weise schützte er auch seinen Freund Ladislaus Wessel vor dem sicheren Tod. Während des Frühappells führte Hartai ihn als „Totengräber“, während er tatsächlich bis zur Ablösung Schorns im Februar als Schwerkranker im Esterhazykeller versteckt blieb. Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Protokoll mit Géza Hartai vor dem Strafgerichtshof Budapest am 26. Juni 1950, S. 245ff

[2] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Urteil vom 24. September 1951, S. 303

[3] Vgl. zu den Verhältnissen im Lager vor allem die Aussagen von: Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Protokoll mit Ladislaus Ladányi vor der Volksanwaltschaft Budapest am 20. Oktober 1948, S. 81ff; Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Protokoll mit Ladislaus Köszegi vor dem Strafgerichtshof Budapest am 27. Juni 1950, S. 270ff; Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Protokoll mit Miklós Szinyovszky vor dem Strafgerichtshof Budapest am 27. Juni 1950, S. 275ff.; Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Protokoll mit Josef Darvas vor dem Strafgerichtshof Budapest am 28. Juni 1950, S. 280ff

[4] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Protokoll aufgenommen am 9. August 1945 mit Andort Frankfurt, S 447f. Daneben findet sich bei mehreren Zeugen auch noch die lapidare Aussage, später nach Mauthausen und Gunskirchen gelangt zu sein.