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Deutsch Schützen

Im Dezember 1944 trafen die ersten von etwa 500 ungarischen Juden in Deutsch Schützen ein. Die hier eingesetzten Ungarn hatten schon vor ihrem Einsatz im Burgenland als Angehörige des ungarischen Arbeitsdienstes an anderen Orten – beispielsweise in Steinamanger / Szombathely – Zwangsarbeit verrichten müssen. Viele von ihnen gehörten vormals der Arbeitsdienstkompanie 103/III an. [1]
Scheune in Deutsch SchuetzenkleinWar ihre Behandlung unter den Pfeilkreuzlern in Ungarn brutal und demütigend, so schien sich ihre Situation im Lager in Deutsch Schützen wesentlich zu bessern. Sie wurden in zwei Getreidespeichern am Ortsausgang Richtung Eisenberg untergebracht. Diese Speicher waren mit Stockpritschen und frischem Heu sowie jeweils einem Ofen in der Mitte des Gebäudes eingerichtet. Dadurch waren die Ungarn in ihrem Quartier der Winterkälte nicht so sehr ausgeliefert. Als Waschgelegenheit diente ein Brunnen im Hof. Verpflegt wurden sie zweimal pro Tag im Hof des Pfarrhauses. Nach Aussagen von Überlebenden unterschied sich ihr Essen nicht wesentlich HJ SchanzwerkzeugKleinvon dem der ebenfalls im Schanzeinsatz stehenden steirischen HJ-Burschen. Bewacht wurden sie von vier SA-Männern, die die Ungarn aber weitgehend in Ruhe ließen. Schläge und Gewalt gegen die Zwangsarbeiter gab es offensichtlich nicht. Von einer lückenlosen Bewachung der rund 500 Ungarn kann auch nicht ausgegangen werden, dazu wären ihre lediglich vier Bewacher wohl auch nicht in der Lage gewesen. Kontakte zur Bevölkerung wurden weitgehend vermieden, dennoch kam es vereinzelt vor, dass Ungarn für landwirtschaftliche Arbeiten an Bauern „verliehen“ wurden. Wer krank oder zu schwach zum Arbeiten war durfte im Lager bleiben. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass von der Belegung des Lagers im Dezember bis zur Auflösung Ende März 1945 auch nur ein Ungar verstorben wäre!
Vor diesem Hintergrund muss Deutsch Schützen als Ausnahmelager bezeichnet werden. Die „Einhaltung gewisser Mindeststandards“, wie es der Überlebende Moshe Zairi bezeichnete, [2] war keineswegs der Normalfall in den Lagern entlang des Südostwalles. Die Zustände variierten von Lager zu Lager und waren hauptsächlich vom Verhalten der Lagerleitung und der Wachmannschaft abhängig, deren Handlungsspielräume relativ groß gewesen sein dürften. Den Ungarn im Lager Deutsch Schützen erschien ihr Leben nicht unmittelbar bedroht, und damit unterschied sich ihr Aufenthalt dort stark von ihren Erfahrungen aus der Zeit davor und danach. Deutsch Schützen scheint eines der „erträglicheren“ Lager am Südostwall gewesen zu sein.

 

[1] Die nach den ungarischen Gesetzen als Juden definierten Männer im wehrfähigen Alter wurden nicht zur ungarischen Armee eingezogen, sondern leisteten ihren Dienst in den sogenannten Arbeitsdienstkompanien ab. Es handelte sich dabei um militärisch geführte aber unbewaffnete Einheiten, die im Frontbereich Bautätigkeiten durchführten. Vgl. hierzu auch Strassl/Vosko, Das Schicksal ungarisch-jüdischer Zwangsarbeiter am Beispiel des Südostwallbaus 1944/45 unter besonderer Berücksichtigung der Massenverbrechen bei Rechnitz und Deutsch-Schützen, Dipl. Arb., Wien 1999, S. 137.

[2] Vgl. Walter Manoschek, „Dann bin ich ja ein Mörder!“, Göttingen 2015, S. 41. 

 

Die Front erreicht Deutsch Schützen

Die Exekution im Urbarialwald

Flucht und Hilfe

Gerichtliche Ahndung des Verbrechens

Die Suche nach dem Grab

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