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Die Erschiessung zweier Schwerverletzter am 30. und 31. März 1945

Wie im vorhergenden Kapitel erwähnt, wurde am frühen Nachmittag des 30. März 1945 eine 30 bis 40köpfige ungarische Gruppe auf dem Weg vom Steinbruch zum Meierhof von vorbeifahrenden SS-Einheiten beschossen. Drei Tote und mindestens zwei angeschossene Ungarn, die sich eventuell tot stellten oder besinnungslos waren, blieben am Wegesrand zurück. Einer der Verletzten versuchte noch am gleichen Nachmittag Richtung Ungarn zu flüchten. Leider bemerkte ein Leutnant der Wehrmacht, der mit zwei Volkssturmmännern im Ort unterwegs war, den Fluchtversuch. Der Leutnant lief dem Ungarn nach als dieser quer über eine Wiese in Richtung Zollhaus flüchtete, und tötete ihn mit drei Schüssen aus seiner Dienstpistole.[1]

In der Nacht vom 30. auf den 31. März griffen zwei Volkssturmmänner einen weiteren schwerverletzten ungarischen Juden auf, der im Ort Hilfe suchte. Auch er war beim Marsch vom Steinbruch in den Meierhof von der SS angeschossen und für tot gehalten worden. Dieser Mann irrte stundenlang durch den Ort. Mehrere Dorfbewohner begegneten ihm, einige hatten Mitleid mit ihm, doch wirklich geholfen hat ihm niemand. Frau K. sah den Schwerverletzten in der Nähe des Meierhofes. Er flehte um Hilfe und erklärte ihr, daß alle seine Kameraden ermordet wurden. Frau K. wußte bis dahin nichts von einem Massaker. Sie schenkte dem Schwerverletztem erst in dem Moment Glauben, als sie die Toten im Meierhof liegen sah.[2] Franz Schuster, Wachkommandant beim Volkssturm, gab an:

„In der Nacht nach dem Karfreitag 1945 brachten zwei Posten einen Juden, der voll Blut auf der Brust war. Er bat um einen Arzt. Ich wußte mir keinen Rat und schickte den Juden zur Gendarmerie." [3]

Josef Handl war einer jener Volkssturmmänner, die den Verletzten zum Gendarmerieposten zu führen hatten:

"Wachkommandant Schuster „gab uns den Auftrag den Mann der sich als Jude bezeichnete, zum Gendarmerieposten zu führen. Als dort der Mann sich als Jude zu erkennen gab begannen die Gendarmen fürchterlich zu schimpfen: ‚Hinaus mit dem Schwein’, und ähnliches, und schickten mich mit dem Juden zu dem Kommandanten zurück.“ [4]

Franz Schuster berichtete weiter:

„Nun verständigte ich den Beschuldigten (Unger / der Verfasser), der Bürgermeister und Ortsgruppenleiter war und fragte ihn, was wir mit dem verwundeten Juden machen sollen. Seine Antwort war: ‚Erschießt ihn.’ Ich erwiderte, daß ich dies nicht machen werde. Er meinte dann: ‚Gebt ihn in den Arrest hinein.’ Ich ließ den Juden in den Keller in die Gemeindekanzlei hinein, dort waren Pritschen auf denen er liegen konnte. Am nächsten morgen fragte ich den Beschuldigten, was wir nun mit dem Juden machen sollen. Er erklärte: ‚Laßt ihn aus, es wird ihn schon jemand zusammenschießen.’ Ich ließ den Juden weggehen. Was weiter mit ihm geschehen ist weiß ich nicht.“ [5]

Der Schwerverletzte wurde etwas später von Matthias Kremser auf der Straße von St. Margarethen nach Trausdorf aufgefunden. Kremser brachte den Juden zum Gemeindearzt, der die Überlebenschancen des Schwerverletzten als sehr gering einschätzte, da er einen Lungendurchschuß erlitten hatte.[6] In der Rückschau ist es erschreckend wie wenig Hilfsbereitschaft die Bevölkerung für die Opfer aufbrachte, wie viel Gleichgültigkeit sie gegenüber dem Morden zeigte. Ein mögliches Motiv dafür mag die Angst vor Repressionen gewesen sein, wie der ehemalige Wachkommandant des Volkssturms Franz Schuster während seiner Einvernahme vermutete.

"Die Leute hätten ihm gerne helfen wollen, es wagte aber niemand wirklich Hilfe zu leisten, weil Militär und SS im Ort waren.“ [7]

Im Januar 1969 kamen diese Vorgänge im wahrsten Sinne des Wortes wieder ans Tageslicht. Während Hans Schindler Grabungsarbeiten auf seinem Grundstück vornahm, stieß er auf die sterblichen Überreste eines ungarischen Zwangsarbeiters. Erkennbar war dies an den ungarischen Münzen und einem ungarischen Ausweisfragment, die sich direkt bei der Leiche fanden. Der damals 81jährige Matthias Denk aus St. Margarethen erinnerte sich an den Fall. Er war einer der beiden Volkssturmmänner die gemeinsam mit dem Wehrmachtsleutnant im Ort unterwegs waren, als dieser den flüchtenden Ungarn auf der Wiese vor dem Zollgebäude erschoss. Seiner Angabe nach waren der Todesort und der Ort der Auffindung der Leiche ident. Die IKG Wien überführte den Toten kurz nach seiner Auffindung nach Wien und bestattete ihn auf dem Zentralfriedhof, 4. Tor, Gruppe 22, Block 16, Grab Nr. 2.[8]

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[1] Aussage des Matthias Denk am Gendarmerieposten St. Margarethen Ende Januar 1969. Archiv der IKG. Feldsberg-Initiative. Mappe St. Margarethen; Wiener Zeitung Nr. 25, 31. Januar 1969, S. 4, Skelett eines ermordeten Juden gefunden.

[2] Diese Informationen stammen aus einem Gespräch zwischen Frau K. und Josef Altenburger. Sammlung Szorger/Achenbach

[3] Aussage des Franz Schuster vom 29. Oktober 1946. Lg Wien Vg 11h Vr 3117/45, S. 119b

[4] Aussage des Josef Handl vom 29. Oktober 1946. Lg Wien Vg 11h Vr 3117/45, S. 119b

[5] Aussage des Franz Schuster vom 29. Oktober 1946. Lg Wien Vg 11h Vr 3117/45, S. 119b

[6] Lg Wien 31 Vr 471/56: Niederschrift mit Matthias Denk vom 30. Mai 1946

[7] Aussage des Franz Schuster vom 29. Oktober 1946. Lg Wien Vg 11h Vr 3117/45, S. 119b

[8] Aussage des Matthias Denk am Gendarmerieposten St. Margarethen Ende Januar 1969. Archiv der IKG. Feldsberg-Initiative. Mappe St. Margarethen.

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