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Der erste Donnerskirchen-Prozeß

In Bezug auf das Arbeitslager ungarischer Juden in Donnerskirchen ermittelte die Staatsanwaltschaft ab Mai 1945 gegen Nikolaus Schorn und Johann Ortlieb.[1]  Schorns Funktion in Donnerskirchen war die des Baustreifenleiters. Mit dem Eintreffen der ungarischen Juden wurde er schließlich auch noch mit der Leitung des Lagers beauftragt. Johann Ortlieb war als Leiter des Unterabschnittes II Schorns direkter Vorgesetzter. Er stammte aus Zwettl, wo er als Kreisstabsamtsleiter für die Partei tätig war.

Im Unterabschnitt II waren zwei weitere Baustreifenleiter tätig, und zwar für den Abschnitt Schützen am Gebirge ein gewisser „Zwettler“ und für den Abschnitt Purbach ein Mann namens „Safarowitsch“. Insgesamt besaß der Unterabschnitt eine Länge von 18 km und reichte von der Ortsgrenze von Breitenbrunn bis zur Rosaliakapelle in Oggau.Donnerskirchen1 Anklage Vorschau

Im Volksgerichtsprozeß gegen Nikolaus Schorn[2] lautete die Anklage vom 12. Juni 1947 unter anderem auf absichtliche Tötung von sieben Juden und empfindlicher Mißhandlung von jüdischen Zwangsarbeitern. Gemeinsam mit Johann Ortlieb wurde er beschuldigt, jüdische Zwangsarbeiter in einen „qualvollen Zustand“ versetzt zu haben und dabei die Menschenwürde und die Gesetze der Menschlichkeit gröblich verletzt zu haben, wobei die Tat den Tod von 120 Personen zur Folge hatte. Die Anklageschrift führt weiter aus, daß Schorn sich gegenüber den Juden besonders grausam verhielt. Er stand „im Einklang mit der national-sozialistischen Weltanschauung“, nach der das Leben eines Juden keinen Wert besaß. Die Anklageschrift zog den Schluß, „dass die Beschuldigten Ortlieb und Schorn nicht etwa ausserstande waren, dass Massensterben der Juden zu verhindern, sondern dass sie absichtlich darauf hinarbeiteten, nur um die Reihen der Juden zu lichten, wie es den von Ihnen mit Fanatismus vertretenen national-sozialistischen Anschauungen entsprach.“[3]

Während der Verhandlung wurden Schorn und Ortlieb durch die Aussagen von Werner Dyck, dem ehemaligen „Leiter der Entlausungsanstalt Donnerskirchen“ und Robert Böhm, einem ehemaligen Volkssturmangehörigen, schwer belastet. Dyck bezeichnete Ortlieb als besonders „krassen“ Nationalsozialisten, und gab an, daß aufgrund der katastrophalen Bedingungen „täglich zeitweise 25 - 30 Mann starben“. Zusätzlich hatte er von einem Vorfall beim „Weidenstall“ erfahren, bei dem 19 kranke Juden, die beim Abendappell vor Erschöpfung umfielen, dem Erfrierungstod preisgegeben wurden, da Schorn sie die Nacht über im Freien liegen ließ.[4]

Donnerskirchen 1 Hauptverhandlung VorschauRobert Böhm sprach von 10 bis 15 toten Juden täglich, die durch Infektionskrankheiten starben. Arbeitsunfähige, sei es aus Schwäche oder durch Mißhandlungen und Verletzungen, wurden nach seiner Aussage zum sogenannten „Sanatorium“ gebracht und dort auf Befehl von Schorn ermordet. Gegenüber seinen Untergebenen soll sich Schorn sinngemäß geäußert haben, wenn sie Juden sehen, könnten sie „diese gleich umbringen. Für jeden Juden der umgebracht wird, gebe ich 10 Stück Zigaretten.“[5]

Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe versuchte Schorn von sich zu weisen indem er angab, daß nicht er sondern der Unterabschnittsleiter Ortlieb für die Unterbringung und Verpflegung der ungarischen Juden zuständig gewesen wäre. In einer späteren Aussage machte er dann den Kreisleiter Brauner (Kreis Eisenstadt / Abschnittsleiter am Südostwall) und sogar Gauleiter Hugo Jury für die Zustände im Donnerskirchener Lager verantwortlich. Auch die Befugnis über die „Krankenstation“ verwies er in die Zuständigkeit Ortliebs, der „sich aber scheinbar nicht helfen“[6] konnte, wie er einschränkend bemerkte. Um seinen Mitangeklagten Ortlieb nicht zu schwer zu belasten, bezeichnete er ihn „als korrekten und auch gegen sich strengen Menschen (...), der nur nichts ausgerichtet hat (...).“[7] Donnerskirchen 1 Urteil Vorschau

Ortlieb verfolgte die gleiche Taktik wie Schorn. Auch er versuchte seine Schuld an den Vorgängen in Donnerskirchen auf andere Personen abzuwälzen und suchte sich dafür seinen ehemaligen Stellvertreter Weisshäupl aus, dessen Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war. „Ich hatte mit meinem Stellvertreter Weisshäupl den Aufgabenkreis so geteilt, dass ich die Arbeiten und Besichtigungen der Stellungen, die Leitung des Appells und die Verhandlungen mit den verschiedenen Organisationen übernahm, während das Meldewesen und die Quartierfrage, die Verpflegung und sanitären Einrichtungen Weisshäupl zu überwachen hatte. Weisshäupl teilte sich wieder verschiedene Leute für die einzelnen Referate ein.“[8]

Mit dem letzten Satz hielt er Weisshäupl sogar eine weitere Möglichkeit für Ausflüchte offen, falls dieser sich auch jemals vor Gericht zu verantworten hätte. Die leicht zu durchschauende Taktik der Angeklagten, jegliche Schuld auf untergetauchte oder – noch besser – bereits verstorbene Nationalsozialisten zu schieben, läßt sich in sehr vielen Volksgerichtsprozessen beobachten. Naturgemäß war für die Staatsanwaltschaft der Beweis des Gegenteils beinahe unmöglich.

Im Urteilsspruch vom 10. Dezember 1947 wurde Nikolaus Schorn schließlich nur aufgrund „empfindlicher Mißhandlungen“ an jüdischen Zwangsarbeitern verurteilt.[9] In allen übrigen Punkten sprach man ihn frei, beziehungsweise die Staatsanwaltschaft trat von der Anklage zurück. Das Gericht konnte in Bezug auf die Schorn zur Last gelegten Tötungen „nicht zu einer sicheren Überzeugung von der Schuld des Angeklagten“ gelangen. Auch gegenüber Ortlieb wurde die Anklage auf Tötung von jüdischen Zwangsarbeitern fallengelassen.[10]

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[1] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Aussage des Werner Dyck vom 25. Mai 1945, S. 5f

[2] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49. Angeklagt waren neben Nikolaus Schorn auch Johann Ortlieb und Josef Bareiner. Die Anklage lautete außerdem noch auf Parteizugehörigkeit in der illegalen Zeit und Denunziation. Anklageschrift vom 12. Juni 1947, S. 205f

[3] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Anklageschrift vom 12. Juni 1947, S. 212

[4] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Aussage des Werner Dyck vom 25. Mai 1945, S. 5f

[5] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Niederschrift, aufgenommen vor dem Gendarmeriepostenkommando Zwettl mit Robert Böhm am 24. November 1947, S. 277

[6] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Vernehmung von Nikolaus Schorn am 9. Januar 1946, S. 25e

[7] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Vernehmung von Nikolaus Schorn am 12. April 1946, S. 25f

[8] Lg Wien Vg 1a Vr 1322/49: Vernehmung des Hans Ortlieb vom April 1946, S. 10b

[9] Laut Urteil vom 10. 12. 1947 wurde Nikolaus Schorn wegen seiner Parteizugehörigkeit zur NSDAP seit 1933, Denunziation in zwei Fällen sowie empfindlicher Mißhandlung von jüdischen Zwangsarbeitern zu viereinhalb Jahren schweren Kerkers, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich, zum Verfall seines gesamten Vermögens und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und des Strafvollzuges verurteilt. (Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung der §§ 10 und 11 VG, der versuchten Denunziation nach § 8 StG und § 7 KVG, Verbrechen der Mißhandlung nach § 3 KVG und Verbrechen der Denunziation nach § 7 KVG.)

[10] Laut Urteil vom 10. 12. 1947 wurde Hans Ortlieb wegen seiner Parteizugehörigkeit zur NSDAP seit 1933 und seiner Eigenschaft als Kreisstabsleiter zu zwei Jahren schweren Kerkers, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich, gemäß § 11 VG zum Verfall seines gesamten Vermögens und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und des Strafvollzuges verurteilt. (Verbrechen des Hochverrates nach § 58 StG in der Fassung der §§ 10 und 11 VG.)

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